Rede zur 2./3. Lesung zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes u. a.
Katastrophal und menschenunwürdig geht es auf deutschen Autobahnrastplätzen gerade an den Wochenenden und vor allem in Grenznähe zu Frankreich, Belgien und den Niederlande zu. Bei unseren westlichen Nachbarn wird das Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit mit Bußgeld bestraft. Die Lkw stehen deshalb alle auf unserer Rheinseite. Auf Rastplätzen für normalerweise 90 befinden sich regelmäßig über 200 Fahrzeuge. Deren Fahrer haben nicht das Geld, um kostenpflichtige Toiletten oder Duschen zu benutzen. Sie sind monatelang unterwegs, nicht nur wochenlang. Sechs oder neun Monate sind keine Seltenheit. Die Fahrer kommen nicht mehr nach Hause, sie haben keine sozialen Kontakte mehr, keine Bindung zu ihrer Familie. Das sind unwürdige Zustände.
Mit diesen deutlichen Worten wurden uns die Zustände auf unseren Autobahnraststätten am Montag dieser Woche geschildert. In der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzespaket, das heute zur Abstimmung steht, wurde ausgiebig und eindrücklich aus der Praxis auf der Straße geschildert. Wir alle kennen die Bilder und Geschichten über die Bedingungen im Straßengüterverkehr inzwischen aus zahlreichen Fernsehberichten. Einige von uns konnten das Elend auch persönlich in Augenschein nehmen. Ich war zuletzt Weihnachten bei Fahrern auf Autobahnrastplätzen, die das Fest der Familie fern ihrer Heimat verbringen mussten. In dem Zusammenhang will ich all den deutschen Fahrern danken, die sich in Kraftfahrerkreisen organisieren und z. B. Weihnachtsaktionen für ihre Kollegen, vor allem aus Osteuropa, durchführen.
Die eindrücklichen Schilderungen in der Anhörung haben alle Anwesenden im Verkehrsausschuss spürbar berührt. Sollten noch Zweifel daran bestanden haben, dass wir gegen das moderne Nomadentum dringend handeln müssen, seit Montag hat diese Zweifel sicher keiner mehr.
Uns wurde vor Augen geführt, dass wir über Güterkraftverkehr und Fahrpersonal nicht sprechen können, ohne über faire Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen zu sprechen. Auf deutschen Autobahnen sollte beides selbstverständlich sein. Doch wir sehen, wie erschreckend anders die Realität aussieht.
Das Leid der Fahrer ist dabei die eine Seite der Medaille. Leiden tut auch das Gewerbe. Große Teile des deutschen Transportlogistikgewerbes sind akuten Wettbewerbsverzerrungen ausgesetzt. Ehrliche Logistik- und Transportunternehmen, die ihre Mitarbeiter fair bezahlen und soziale Standards einhalten und Umläufe so planen, dass die Fahrer regelmäßig am Wochenende zu Hause sein können, verlieren zunehmend Aufträge. Ihre Existenz ist bedroht. Die Spediteure und ihre Fahrerinnen und Fahrer, die Menschen am Steuer der Lkw, fahren am Limit. Sie leiden darunter, dass auf deutschen Autobahnen zu viele schwarze Schafe zu unscharfe Regeln ausnutzen und geltendes Recht missachten. Diese schwarzen Schafe stammen keineswegs nur aus Osteuropa. Auch für einige in Westeuropa ansässige große Unternehmen gehört das zu ihrem Geschäftsmodell.
Wir müssen politisch handeln. Das wissen wir seit Jahren. Endlich tun wir es. Am Montag wurde auch deutlich benannt, wie wir handeln können: Ein Instrument, etwas zu ändern, wäre es, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit vernünftig und menschenwürdig zu regulieren. Genau das Instrument, über das wir heute hier diskutieren, ist meiner Meinung nach eines der Schlüsselelemente, schrieb uns Udo Skoppeck, aktiver Fernfahrer und Aktivist für Fernfahrerrechte ins Lastenheft. Wir haben die Forderung aufgenommen und im Verkehrsausschuss eine kleine aber entscheidende Änderung zum Fahrpersonalgesetz beschlossen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich nochmal benennen, was wir verbieten. Es geht um die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw. Mit Artikel 8 Ziffer 8 der EU Verordnung 561/2006 ist die Voraussetzung gegeben, um zu unterbinden, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug verbracht wird. Die EU-Verordnung sagt: In zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen hat der Fahrer mindestens zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte Wochenruhezeit von mindestens 24 Stunden einzuhalten. Wichtig sind hier die zu unterscheidenden Begriffe regelmäßige und reduzierte wöchentliche Ruhezeit. Weiter heißt es nämlich, dass nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden können. Regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug werden in dieser Ausnahme explizit nicht benannt. Dem EU-Recht folgend, können und müssen wir das Verbringen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug verbieten und ahnden.
Keine Frage: die Klarstellung zum Verbot des Verbringens der wöchentlichen Ruhezeit im Lkw, die wir nun beschließen, ist nur ein Mosaikstein. Eigentlich wäre eine europäische Regelung notwendig, die keinerlei Interpretationsspielraum bietet. Eigentlich müssen wir noch viele weitere Aspekte angehen, wollen wir fairen Wettbewerb und faire Arbeitsbedingungen im Transport- und Logistikgewerbe garantieren. In unserem Entschließungsantrag haben wir dazu Punkte benannt. Der Bundesregierung haben wir damit wichtige Aufgaben gestellt. Ich erwarte, dass wir im Frühjahr 2018 erste Ergebnisse präsentiert bekommen.
Schon jetzt aber kommt, wenn uns der Bundesrat zustimmt, der kleine Mosaikstein, der, wie ich sicher bin, große Wirkung haben wird.
In der Diskussion um das Fahrpersonalgesetz wurde im Vorfeld häufig angezweifelt, dass das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit durchsetzbar sei. Dazu haben wir Montag wichtige Hinweise erhalten: Niederlande, Belgien und Frankreich zeigen bereits, dass das Verbot kontrollierbar ist. Die Problematik der Kontrollen liegt bislang einzig darin, dass das „Schwert nicht schneidet“.
Mit dem heutigen Beschluss schärfen wir in jedem Fall das Schwert. Damit es schneidet, sind die Kontrollbehörden in der Pflicht und haben alle Möglichkeiten, wie ihre Kolleginnen und Kollegen in unseren westlichen Nachbarstaaten, das Verbot durchzusetzen. Ich erwarte effektive Schwerpunktkontrollen, die deutlich abschreckenden Charakter haben müssen. Dazu sind integrative Kontrollen unter Einbindung von Polizeien, BAG, Zoll und auch Ämtern für Arbeitsschutz notwendig. Zudem müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung noch besser nutzen. Mit dem digitalen Tachografen wird schon bald vieles einfacher. Ein obligatorischer digitaler Frachtbrief ist darüber hinaus dringend geboten. Das fordern wir in unserem Entschließungsantrag.
Ich will enden mit einem Zitat aus der Anhörung, das sich mir eingebrannt hat: „Ich weiß nicht, warum die Bevölkerung und die gesamte Politik – ich spreche jetzt die ganze Runde an – glauben, dass wir Kraftfahrer das stoisch mitmachen, nur weil es sich so eingebürgert hat.“ Vollkommen richtig, nicht das Gewohnheitsrecht sondern das gesetzte Recht muss gelten. Zur Frage der Ruhezeit im Lkw gibt es eine EU-Verordnung und nun auch eine entsprechende Klarstellung im Fahrpersonalgesetz und denen verschaffen wir Geltung!