Bundesfernstraßengesellschaft

Warum hat die SPD der Bild­ung einer Bundesfernstraßengesellschaft zugestimmt? Zu dem Thema waren auf den ver­­­schie­den­en Kam­pagnen­platt­for­men die wildesten Spe­ku­la­tionen im Umlauf. Ich sende Ihnen ein paar Hin­ter­grün­de. So kön­nen Sie nachvollziehen, warum ich dem Vor­ha­ben schluss­end­lich doch zuge­stim­mt habe.

Deutschland braucht eine leistungsfähige und flächen­deck­ende Verkehrsinfrastruktur. Dafür braucht es nicht nur Geld, sondern das Geld muss auch effizient eingesetzt werden. Plan­­ung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen und Bun­des­fern­straßen in der jetzigen Auftragsverwaltung der Länder funk­tionieren jedoch nicht optimal.

Deshalb ist eine veränderte Auftragsverwaltung nun Teil ein­es um­fang­reichen Pakets zur Änderung der Bund-Länder-Fin­anz­be­zieh­ungen. Alle 16 Landesregierungen und die Bun­des­reg­ier­ung haben sich darauf im Herbst letzten Jahres ver­stän­digt. Das Paket besteht aus zwei Gesetzentwürfen: einer Änder­ung des Grundgesetzes sowie allen weiteren Re­gel­ung­en im Be­gleit­gesetz. Die „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ ist Inhalt beider Gesetz­ent­würfe.

Eigentlicher Kernpunkt des Gesamt-Pakets ist jedoch die Neu­re­gel­ung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020. Ent­halt­en ist auch eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bild­ungs­bereich, die es dem Bund ermöglicht, Geld für Bild­ungs­in­frastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Ver­füg­ung zu stellen. So sollen beispielsweise Schulgebäude sa­nier­t und modernisiert werden. 3,5 Mrd. Euro stehen dafür zur Verf­ügung. Das Geld geht vom Bund über die Länder an die Kommunen, die dann vor Ort entscheiden, wie es in­ves­tiert wird.

Des Weiteren wird der Unterhaltsvorschuss neu geregelt, den Alleinerziehende erhalten, wenn das eigentlich unterhalts­pflich­­tige Elternteil nicht zahlt: künftig wird nicht nur bis zum 12. Geburtstag des Kindes gezahlt, sondern bis zum 18. und während bislang maximal 6 Jahre lang gezahlt wurde, entfällt diese Befristung künftig komplett.

Schließlich gehört zum Paket die Infrastrukturgesellschaft. Im Gesetzgebungsverfahren haben wir uns immer gegen eine Pri­va­tisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen ge­stellt und diese Position auch durchgesetzt. In den Berat­ung­en in der Bun­des­re­gier­ung hat die SPD eine dop­pel­te Pri­va­tisierungsschranke durchgesetzt. In Artikel 90 des Grund­gesetzes wird geregelt, dass die Bundesfernstraßen 100-pro­zent­iges Eigentum des Bundes bleiben. Gleiches gilt für die Infrastrukturgesellschaft selbst. CDU und CSU wären bereit gewesen, 49 Prozent der Gesell­schaft an private In­vest­or­en zu verkaufen.

Im Beratungsverfahren im Bundestag haben wir in schwie­ri­gen Verhandlungen zwei zusätz­liche Grund­gesetz-Än­der­ung­en durchgesetzt: Ausgeschlossen wird zum einen eine un­mit­tel­bare oder mittelbare Be­tei­lig­ung Dritter an der In­fra­struk­tur­gesellschaft und deren Toch­ter­gesellschaften und zum an­der­en eine funk­tio­nal­e Pri­va­ti­sierung durch die Über­tragung ei­gener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte. In Ar­ti­kel 90 Ab­satz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz ein­ge­fügt: „Eine Be­teiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Part­ner­schaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das ge­samte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bun­desfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile da­von umfassen.“ Zudem wird geregelt, dass Öffentlich-Private Part­nerschaften nur als Ein­zelprojekte bis maximal 100 Kilo­me­ter Länge möglich sind. Diese Projekte dürfen  nicht räum­lich miteinander verbunden sein. Alle theoretisch möglichen Hintertüren für eine Priva­ti­sier­ung sind damit fest ver­schlos­sen. Möglichkeiten, private Betreiber und in­sti­tu­tio­nel­ler In­vest­oren einzubeziehen, die es bislang gab, schließen wir jetzt erstmals rechtlich aus­.

Manche Kritiker und manche Kampagne haben absurderweise gerade uns als SPD in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grund­gesetz-Änderungen würden wir die Türen für eine Pri­va­­ti­sierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Tür­­­en, die bislang offen standen. Das bestätigt uns auch der Bun­­desrechnungshof. In seinem jüngsten Bericht vom 24. Mai 2017 kommt er zusammenfassend u. a. zu folgenden Er­geb­nissen:

„… ist jegliche Privatisierung der Bun­des­auto­bahn­en aus­ge­schlos­sen. … enthält Regelungen zur Fin­an­zier­ung der In­fra­struk­turgesellschaft, die die Em­pfehl­ung­en des Bun­des­rech­nungshofes berücksichtigen. … soll der Einfluss des Par­la­mentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen ge­wahrt bleiben. … Zudem sol­len die Kreditfähigkeit der Infra­struk­tur­ge­sell­schaft ein­geschränkt sowie stille Gesellschaften und Un­ter­be­tei­ligungen verhindert werden.“

In der öffentlichen Diskussion werden viele weitere Aspekte falsch dargestellt. Einige davon will ich kurz richtigstellen:

  • Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu ho­hen Zinsen ge­bannt. Um effizient wirtschaften und „at­men“ zu können, kann die Gesellschaft aber Li­qui­di­tätshilfen (zinslose Dar­le­hen) aus dem Bun­des­haus­halt erhalten, wie andere Bun­des­ge­sell­schaften auch.
  • Das wirtschaftliche Eigentum an den Bun­des­auto­bahn­en geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund.
  • Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und da­mit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob ir­re­führ­end, „privatrechtlich“ mit „Pri­va­ti­sier­ung“ gleich­zu­setz­en. Deutschland organisiert zum Bei­spiel einen Großteil sei­ner internationalen Ent­wick­­lungshilfe über die Deutsche Ge­sell­schaft für In­ter­nationale Zusammenarbeit, die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat noch niemand behauptet, Deut­schland habe seine Ent­wick­lungs­hil­fe privatisiert.
  • Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zu­läs­sig­keit einzelner ÖPP-Projekte werde die Pri­va­ti­sier­ung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öf­fent­lich-private Part­ner­schaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann er­laubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die her­kömm­liche Beschaffung. Bei einer effizient arbeitenden neu­en Gesellschaft wird das seltener der Fall sein als in den jetz­ig­en Strukturen. Drittens: ÖPP bleibt auf Ein­zel­projekte beschränkt und durch die von uns durch­ge­setzte Grundgesetz-Änderung ist es dauerhaft ver­boten, ein ÖPP-Projekte an das andere zu setzen.

Die Reform führt nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme, sondern die Informations- und Steuer­ungs­rechte des Bundestages bleiben gewahrt. Der Bun­des­rech­nungs­hof unterstreicht die Verhandlungserfolge der SPD-Bundestagsfraktion:

Anstatt der ursprünglich ge­plan­ten staats­fern­en soll eine staatsnahe In­fra­struk­tur­ge­sell­schaft ent­steh­en.“

Die bun­des­eigene Verwaltung verspricht zügigere Bau­maß­nah­­men. Die neue Ge­sell­schaft wird gemein­wohl­orien­tier­t für ein effizienteres Auto­bahn-Netz in Deutschland sorgen.